Spätestens wenn zum Jahresanfang die aktuellen Medienresonanzanalysen auf den Tischen von Marketing-, PR- und Kommunikationsverantwortlichen liegen, werden sämtliche Kennzahlen wie Reichweiten, Verbreitung oder Auflage wieder besonders aufmerksam und kritisch beleuchtet. Dass diese Zahlen seit Jahren rückläufig sind, ist bekannt, welche Gründe dahinterstehen und welche Konsequenzen das für die PR-Evaluation hat, erfahren Sie hier.
Die sinkenden Auflagenzahlen, mit der die meisten Printmedien schon lange kämpfen, kann in den meisten Fällen auch durch einen vermehrten Versand von e-Papern nicht ausgeglichen werden. Zum Vergleich: erzielte „Der Spiegel“ im Oktober 2014 noch eine Verbreitung (inkl. e-Papern) von 926.602, wurden im Oktober 2018 nur noch 710.575 Exemplare verbreitet. Das entspricht einem Einbruch von 23%. Im gleichen Zeitraum sank die Verbreitung des „Fokus“ von 512.767 um 21% auf 407.061. Sicherlich ist ein Teil der Leser schlichtweg auf das entsprechende Onlinependant ausgewichen. Denn hier zeigt sich: Gibt die IVW die Visits von „Spiegel online“ im Oktober 2014 mit 205.878.422 an, sind es im Oktober 2018 257.854.011. Ähnliches zeigt sich bei „bild.de“: Hier sind die Visits im gleichen Zeitraum um 91.418.135 Zugriffe gestiegen. Allerdings gelten diese Angaben nur, wenn unter den Visits sämtliche Online-Auftritte der Medien berücksichtigt werden. Dazu zählen zum Beispiel Angebote wie spezielle Apps oder andere mobile Anwendungsmöglichkeiten.
Allerdings gibt es in Bezug auf die Verbreitung auch Ausnahmen in der Printmedienlandschaft, zumindest wenn die versendeten e-Paper miteinbezogen werden. So ist es zum Beispiel „Der Zeit“ gelungen, ihre Reichweite von Oktober 2014 bis Oktober 2018 nahezu gleich bei rund 540.000 zu halten. Dabei hat sich der Anteil von e-Papern in dieser Zeit nahezu vervierfacht. Online hat „Die Zeit“ im gleichen Zeitraum einen Zuwachs von 73% erreicht, was unter den von uns untersuchten Titeln herausragend ist.
Gründe für die gesunkene Print-Mediennutzung
Die Gründe für die sinkenden Reichweiten bei fast allen Printmedien sind vielschichtig und sicher nicht immer bis ins letzte Detail erklärbar. Ein möglicher Grund liegt wie bereits angedeutet darin, dass viele Leser einfach auf die Onlineangebote ausweichen. Zudem spaltet sich hier die Leserschaft gewissermaßen auf. So wandert ein Teil zum Beispiel auch auf Social-Media-Kanäle ab. Denn auch, wenn gerade die Generation der heutige 30-Jährigen vor allem die Onlinependants der großen Nachrichtenhäuser bevorzugt aufsucht (siehe auch diesen Artikel zur Mediennutzung), informieren sich gerade jüngere Leser zunehmend abseits klassischer Medien über das aktuelle Geschehen und bevorzugen Kanäle aus dem Social Web. Gesunkene Reichweiten könnten jedoch auch an den differenzierten (Online-)Angeboten der Medien selbst liegen, die mitunter eine direkte Konkurrenz zu den Printausgaben darstellen: So bieten einige Medien günstige Angebote für Online-Artikel, die hinter Paywalls liegen und häufig identisch mit den Artikeln sind, die später im Heft gedruckt erscheinen. Wieder andere Titel bieten neben ihrem Onlineauftritt noch App-Angebote oder Newsletter an, die möglicherweise ebenfalls einen Einfluss auf die Reichweite der Printtitel haben können.
Konsequenzen aus einem veränderten Medienkonsum
Für Medienbeobachter und -analysten, sowie für Marketers und PR-Verantwortliche stellt sich in dem Zusammenhang vermehrt die Frage, wie Kommunikation (in klassischen Medien) noch sinnvoll eingeordnet werden kann, welche KPIs hier herangezogen werden sollten und wie aussagekräftig ein Vergleich mit den Vorjahren ist.
Auch wenn es in diesem Punkt keine allgemein gültige Lösung gibt, empfiehlt es sich, für eine aussagekräftige Analyse möglichst medienübergreifend und auf Basis diverser Kennzahlen zu arbeiten. D.h. zum einen sollten die „klassischen“ Kennzahlen wie Visits und Auflagen in einen größeren Rahmen eingebunden werden. Je nach Unternehmen lohnt es sich aber auch, einen Blick auf den Erfolg bestimmter Themen in den Owned-Media-Kanälen einzubeziehen oder zu schauen, ob im Rahmen bestimmter Kampagnen, Aktionen, etc. die eigene Webseite besonders gut angenommen wurde. Zum anderen sollten Kennzahlen immer in ein Verhältnis zu einer Bezugsgröße gesetzt werden. Zum Beispiel geben wir bei pressrelations neben der reinen Druckauflage, der verbreiteten Auflage und den Visits eines Titels auch die Reichweite an, die bei Printmedien den Lesern pro Ausgabe (LpA) entspricht, bei Onlinemedien sind die Visits pro Tag angegeben. Dabei ist die Grundannahme, dass fast jedes Printmedium von mehr als einem Leser gelesen wird. Insgesamt erreichen Wochenzeitungen dadurch weit mehr Leser pro Ausgabe als Tageszeitungen und Fachtitel haben häufig noch einmal höhere Reichweiten als Publikumsmedien. Gerade bei Fachtiteln, die mitunter auch von Bibliotheken, Unternehmen und anderen Institutionen abonniert werden, kann die Verbreitung mitunter die Druckauflage überschreiten, obwohl diese rein nominell gesunken ist. Hier fallen dann die e-Paper besonders ins Gewicht.
Einige Auflagen künftig nur noch eingeschränkt öffentlich
Neben den Anwendern von Medienanalysen werden Kennzahlen wie Druckauflage und Verbreitung selbstverständlich auch von den Verlagen selbst genutzt und vermarktet. So richten sich in vielen Fällen Anzeigenpreise und Möglichkeiten, Anzeigenkunden zu gewinnen, nach der Auflagenhöhe und der Verbreitung. Da diese Kennzahlen zunehmend unter Druck geraten, wollen einige Medien, darunter Spiegel, stern, Focus und Zeit (s.a. Artikel aus Meedia.de) ab 2019 erst gar keine Zahlen zu aktuellen HEFT-Auflagen mehr veröffentlichen. Auch wenn es sicher verständlich ist, dass Redaktionen und Verlage, deren gesellschaftliche und kommunikative Bedeutung kaum jemand in Frage stellen wird, es leid sind, konstant für ihre sinkenden Auflagen abgeurteilt zu werden, bleibt es fraglich, ob eine Verweigerung dieser Angaben die Kritik an den Redaktionen und die Diskussion um die Zahlen stoppen wird. Das eigentliche Problem wird damit von den großen Medienhäusern nämlich nicht angegangen: Dass es zunehmend Konkurrenz im Web zum Beispiel durch „Gratis-Informationen“ im Social Web und durch personalisierte Newsfeeds gibt. Die Informations- und Deutungshoheit liegt damit schon lange nicht mehr ausschließlich bei den großen Verlagshäusern. Ob das reine Verweigern von Kennzahlen einen konstruktiven Umgang mit dieser Entwicklung fördert, bleibt abzuwarten.
Kennzahlenvergleich ausgewählter Titel Oktober 2014 ⇔ 2018
Medium | Visits 2014/Verbreitung 2014 | Visits 2018/Verbreitung 2018 | Differenz in % | Differenz absolut |
Bild.de | 296.890.751 | 388.308.886 | 31% | 91.418.135 |
spiegel online | 205.878.422 | 257.854.011 | 25% | 51.975.589 |
zeit.online | 40.523.816 | 70.005.391 | 73% | 29.481.575 |
Die Zeit | 539.117 | 540.780 | 0% | 1.663 |
Fokus Ausgabe 41 2018/2014 | 512.767 | 407.061 | -21% | -105.706 |
Stern, Ausgabe 41 2014/2018 | 730.323 | 518.094 | -29% | -212.229 |
Spiegel, Ausgabe 41 2014/2018 | 926.602 | 710.575 | -23% | -216.027 |