Interview mit unseren Hauptgesellschaftern, Fady El-Murr und Jens Schmitz, zum Eintritt in den US-Markt und der Internationalisierung von pressrelations.
In einer Zeit, in der die transatlantischen Beziehungen sich nicht gerade auf dem Höhepunkt befinden, expandiert pressrelations in den US-amerikanischen Markt. Wie kommt es, dass wir ausgerechnet jetzt den Sprung über den großen Teich wagen?
Fady: Der Einstieg in den US-Markt war schon lange ein strategisches Ziel von uns und es hat sich in diesem Jahr eine sehr gute Option dafür aufgetan. Neben der Möglichkeit, mit unseren Leistungen auch die Amerikaner zu überzeugen, sind wir zudem einem wesentlichen Wunsch unserer international agierenden Kunden nachgekommen, vor Ort vertreten zu sein.
Jens: Bezogen auf die aktuellen Beziehungen sollten wir, auch wenn es vielleicht abgedroschen oder polemisch klingt, nicht vergessen, dass es dieses demokratische Deutschland und geeinte Europa ohne die USA gar nicht gäbe und hoffen, dass die Fundamente der transatlantischen Partnerschaft tiefer reichen und dauerhafter sind als eine Präsidentschaft.
Fady: Wir wollen auch als mittelständisches Unternehmen durch die Zusammenarbeit mit unseren amerikanischen Kollegen und Kunden unseren bescheidenen Teil dazu beitragen, Verständigung zu fördern.
Jens: In einer Zeit des extremen Gegenwartsbezugs lohnt sich ein Blick in die Geschichte, der zeigt, dass Amerika mehr Persönlichkeiten hervorgebracht hat, die uns in unserem freiheitlich-demokratischen Denken und kulturell beeinflusst haben als wir vielleicht denken. Einige dieser „Stellvertreter Amerikas“ schmücken daher auch einen Teil unserer Bürowände in Düsseldorf und Berlin.
Welche Amerikaner sind das?
Jens: Das sind u.a. historische Aufnahmen von Bobby und John F. Kennedy, Martin Luther King, Muhammad Ali, Charlie Chaplin, Hemingway, Jesse Owens. Also vor allem Persönlichkeiten, die unser Bild von Amerika mitgeprägt haben, mit denen Amerika aber auch nicht immer freundlich umgegangen ist, um es mal wohlwollend zu formulieren. Dieser „Umgang“ zeigt aber auch die Ambivalenz und Zerrissenheit dieser Nation.
In unserem Eingangsbereich hängt beispielsweise in einem Leuchtkasten ein Bild vom „Abflug“ Richard Nixons aus dem Weißen Haus, kombiniert mit seinem Zitat „…never forget: The press is the enemy! The press is the enemy! The press is the enemy!“. Dieses Bild symbolisiert das Paradebeispiel für investigativen Journalismus schlechthin, das letztendlich zur Abdankung eines amerikanischen Präsidenten geführt hat, und somit sinnbildlich für Pressefreiheit steht. Denn die freie Presse ist ein zeitloses Feindbild von Populisten! Das zeigt auch die aktuelle Debatte über angebliche „fakenews“ in Amerika oder „Lügenpresse“ in Deutschland. Es ist eben nicht alles neu und so noch nie dagewesen, wie oft behauptet wird. Das wirklich Neue ist der Einfluss der sozialen Medien. „Fakenews“ entstehen tatsächlich, sind aber eher ein Problem der sozialen als der traditionellen Medien wie beispielsweise New York Times oder CNN, die journalistischen Standards unterliegen.
Fady: Wir wollen als Medienbeobachter unseren Kunden auch Kriterien für Glaubwürdigkeit der Berichterstattung aufzeigen, die im traditionellen Segment von der Reputation der Medienquellen und im Social-Media-Bereich von der Reputation der entsprechenden Autoren bzw. Influencern abhängen. Daher ist die Systematik unseres NewsRadar®X, die diese drei Dimensionen „News/Medium/Influencer“ beleuchtet, auch besonders gut für den amerikanischen Markt geeignet.
Jens: Worauf wir uns besonders freuen, ist die Auswertung der US-Medien und die Weiterentwicklung unserer in Zusammenarbeit mit dem Handelsblatt entwickelten Lösung zur Themenfrüherkennung FirstSignals®. Durch die enorme Erweiterung des US-Mediensets haben wir jetzt noch mehr Daten, die wir analysieren können, um somit noch bessere Marktvergleiche zu ziehen. Erste Erkenntnisse dazu werden wir in Kürze veröffentlichen.
Die amerikanischen Medien konnte pressrelations aber doch auch schon vorher beobachten?
Jens: Natürlich konnten wir, wie auch in fast allen Ländern der Erde, auch schon vorher über unser Partnernetzwerk die US-Printmedienlandschaft nahezu komplett abdecken. Bereits im Vorfeld der Firmenübernahme haben wir unser Online-Medienset für die bestehenden Kunden erweitert, sodass unsere eigenen Crawler jetzt über 15.000 US-Online-Medien monitoren und entsprechend der jeweiligen Kundenbedürfnisse ad-hoc erweiterbar sind.
Fady: Der Unterschied zwischen dem US-Markt und unseren anderen internationalen Standorten in Russland, Irland oder der Schweiz ist, dass wir in diesen Märkten zwar Ansprechpartner für die Betreuung unserer deutschen Kunden haben, allerdings nicht selbst den jeweiligen Markt bearbeiten. Das überlassen wir unseren eigenständigen Systempartnern, die mit unserer Produktionssoftware und Kunden-Frontend NewsRadar X, kombiniert mit ihrer langjährigen Marktexpertise, sehr erfolgreich sind. In den USA haben wir ein Unternehmen mit viel Erfahrung und zahlreichen Kunden in pressrelations integriert.
Jens: Wir bekommen durch unseren neuen Standort neben den erfahrenen Mitarbeitern aber auch eine weitere Inspirationsquelle für unsere Produktentwicklung.
Aber warum dann ausgerechnet Texas und nicht Kalifornien?
Fady: Unser Firmensitz befindet sich in Austin. Die Stadt trägt den Spitznamen „Silicon Hills”, in Anlehnung an die hügelige Landschaft im westlichen Teil. Nicht nur alle großen Techkonzerne sind in Austin vertreten, die Start-Up-Szene ist dort auch besonders lebendig. Aber auch Texas insgesamt entwickelt sich immer mehr zu einem Technologiestandort.
In Austin gibt es eine Reihe Konferenzen, die gerade für unsere Branche wichtige Impulse geben. So die SXSW Digitalkonferenz South by Southwest , die als Gradmesser für die wichtigsten Trends der digitalen Branche geworden ist, oder die PRSA International Conference, die sich als Plattform für den Austausch von Technologie und Medien versteht.
Es geht also in den USA nicht nur um Kundengewinnung, sondern auch um Impulse für die Produktentwicklung?
Jens: Ja! Es gehört zu unserem Selbstverständnis, mit unseren Lösungen den nahezu perfekten Hybrid-Ansatz zu entwickeln, der die richtige Mischung aus menschlicher und künstlicher Intelligenz im Sinne der Ergebnisse für unsere Kunden ermöglicht.
Fady: Eine Studie zur Wettbewerbsfähigkeit des Weltwirtschaftsforums „The Global Competitiveness Report“ kommt zu dem Ergebnis, dass kein Land der Welt innovativer als Deutschland ist. Das Land biete die besten Voraussetzungen, um innovative Prozesse von der Idee bis zur Vermarktung zu bewältigen. Nur etwas schlechter schneiden in dem Punkt die USA und die Schweiz ab. Betrachtet man alle Kriterien, liegt Deutschland im Wettbewerbsranking auf Platz drei, hinter den USA und Singapur.
Das Weltwirtschaftsforum sieht Amerika trotz der protektionistischen Handelspolitik und Mängeln im Sozialsystem ganz vorne. Kein anderes Land sei unternehmerisch so dynamisch!
Jens: Wir wollen vor allem in den Märkten vertreten sein, die einen hohen technologischen bzw. qualitativen Anspruch haben, das haben wir mit unserem Systempartner in der Schweiz und unserem Eintritt in den US-Markt erreicht. Nur in diesen anspruchsvollen und innovativen Märken können wir dazulernen und uns ständig verbessern.
Fehlt aber noch Singapur.
Fady: Mal sehen, was die Zeit so bringt…