Zahlreiche Stimmen behaupten, dass Synthetische Medien nach den Klassischen Medien (Print- und Onlinemedien, Radio und TV) und den Neuen Medien (Facebook, Instagram & Co.) die nächste Stufe der medialen Evolution darstellen. Doch was sind Synthetischen Medien, welche Potenziale halten sie für das Marketing bereit, und welche Rolle spielt das Metaverse?
Was sind Synthetische Medien?
Laut dem Facebook-Konzern Meta sind Synthetische Medien der neue Marketing-Hype. Sie treten in Form von Bild-, Video- oder Audioformaten auf, die von einer künstlichen Intelligenz generiert oder verändert wurden.
Hierzu zählen die sogenannten „Deepfake“-Videos, die bisher in einem eher negativen Kontext verwendet werden: Gesichter von prominenten Persönlichkeiten werden mittels KI in einem fiktiven Kontext dargestellt, was für das Publikum unterhaltsam, aber für die Betroffenen oft entwürdigend sein kann. Diese Personen nehmen in den Videos Handlungen vor oder sagen Dinge, die sie in Wirklichkeit nie gesagt oder getan haben. Das kann zu Reputationsschäden führen und lässt die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen.
Deepfakes sehen täuschend echt aus. Aus diesem Grund geraten sie öfters in die Kritik, da unerlaubt erstellte Videos die Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Personen verletzen. Auch die klassischen Medien sehen in Deepfakes eine Bedrohung, da sie die öffentliche Meinung manipulieren können und durch ihre augenscheinliche Echtheit einen idealen Nährboden für Desinformation bieten. Eine Studie der Universitäten von Lancaster und Kalifornien zeigt, dass eine Unterscheidung zwischen realen und künstlich erstellten Gesichtern oftmals kaum möglich ist – teilweise wurden die Deepfakes sogar als vertrauenswürdiger eingestuft als die echten Gesichter.
IT-Forensik-Experten arbeiten daran, die Erkennung und Bekämpfung von Deepfakes zu verbessern und Desinformationskampagnen so den Wind aus den Segeln zu nehmen. Meta hat angekündigt, ein ethisches Framework erstellen zu wollen, um dem Missbrauch Synthetischer Medien vorzubeugen.
Lässt man die zahlreichen missbräuchlichen Verwendungen mal außen vor, sind Deepfakes in der Lage, die Medienwelt zu revolutionieren. So könnten in Zukunft KI-generierte Moderatoren den Zuschauer mit Namen begrüßen und das Nutzungserlebnis verbessern. Mit Hilfe von Synthetischen Medien und KI-Systemen lassen sich zudem Workflows optimieren und Medienangebote ansprechender gestalten.
Virtuelle Welten, Blockchain und NFTs
Ebenfalls unter die Synthetischen Medien fallen die digitalen Welten des Metaverse, in denen Menschen viele der Dinge tun können, die sie im realen Leben auch tun, wie zum Beispiel einkaufen, Sport treiben, oder Kontakte knüpfen. Marken können dort virtuelle Immobilien erwerben und Läden eröffnen oder Veranstaltungen abhalten. Die begrenzten Werbeflächen in den Blockchain-basierten Parallelwelten erfreuen sich großer Beliebtheit. Wichtig für ein Metaverse ist der nahtlose Übergang zwischen der realen und virtuellen Welt.
Eine dieser Welten ist Decentraland. Die Nutzer interagieren dort mit Hilfe von Avataren und können Veranstaltungen besuchen, Spiele spielen oder einkaufen. Der Erwerb von Grundstücken ist ebenfalls möglich, allerdings nur gegen reales Geld – und das nicht gerade wenig. Ein Fleckchen digitale Erde kann in Decentraland bis zu 4 Millionen MANA (Decentraland’s eigene Kryptowährung) kosten, was etwa 13 Millionen Euro entspricht.
Virtuelle Grundstücke und Immobilien könnten bald ebenso heiß umkämpft sein wie in der realen Welt, denn trotz ihrer Lage im unendlichen Internet ist ihre Verfügbarkeit limitiert. Das liegt daran, dass sie sich auf der Blockchain befinden. Die Technologie ermöglicht eine digitale Verknappung von Datensätzen, was essenziell für die Werterfassung im Internet ist. Eine Vervielfältigung digitaler Grundstücke oder Kunstwerke ist somit ausgeschlossen.
Die Blockchain-Technologie macht den Handel mit entmaterialisierten Einzelgütern möglich, deren Besitzverhältnisse zudem eindeutig nachgewiesen werden können. Diese Güter werden Non-Fungible-Token (NFTs) genannt. „Decentraland“ besteht aus exakt 90000 virtuellen Grundstücken, die „LANDs“ genannt werden und ebenfalls zu den NFTs zählen.
Für Marketer bieten digitale Welten eine Vielzahl neuer Möglichkeiten. Mit dem Kauf virtueller Werbeflächen oder Immobilien sichern sich Unternehmen einen festen Platz im aufstrebenden Metaverse und schaffen ein einzigartiges Markenerlebnis. Ob sich diese Art der Werbung jedoch langfristig durchsetzt und erschwinglicher wird, bleibt abzuwarten.
Anfang Januar hat Samsung in Decentraland einen großen Flagship-Store eröffnet, der einer realen Filiale in New York ähnelt. Die User können mit ihren Avataren an Präsentationen oder Events teilnehmen und sich über die neusten Produkte informieren. Zudem hat Samsung angekündigt, als erstes Elektronikunternehmen den Kauf von NFTs über die neuen Smart TVs zu ermöglichen.
Das Potenzial der virtuellen Influencer
Weitere synthetische Marketing-Potenziale ergeben sich durch den Einsatz von virtuellen Influencern. Sie sind die neuen Gesichter zahlreicher Werbekampagnen. Mit über 3,1 Millionen Followern auf Instagram ist Lil Miquela die bekannteste unter ihnen. Sie wirbt für bekannte Marken wie Calvin Klein oder Samsung und hat bereits eigene Songs veröffentlicht. Trotz ihrer rein virtuellen Existenz begeistert ihre facettenreiche Persönlichkeit ein Millionenpublikum.
Neben der Zusammenarbeit mit bereits existierenden virtuellen Social-Media-Stars können Marken auch eigene KI-basierte Influencer erschaffen. So lassen sich potenzielle Konflikte mit echten Influencern sowie mühsame Vertragsverhandlungen vermeiden. Zudem lösen virtuelle Influencer keine privaten Skandale aus, die dem Image des Werbepartners schaden können. Unternehmen können selbst entscheiden, wie das Markengesicht aussieht und wie es sich verhalten soll.
Laut Meta sollen virtuelle Influencer zu einer Demokratisierung des Marktes beitragen, indem auch Menschen, die nicht dem Influencer-Stereotyp entsprechen, mit Hilfe von Avataren in das Business einsteigen können. Mehr Diversität in der Branche habe für Marken den Vorteil, dass breitere Zielgruppen abgedeckt werden können. Allerdings verfügen die wenigsten Unternehmen über genug Know-How und technische Ausstattungen, um Projekte wie Lil Miquela zu realisieren.
Die Zukunft der Synthetischen Medien
Sollten sich Synthetische Medien durchsetzen, könnten sie sich zu einer wahren Content-Fabrik entwickeln. Inhalte ließen sich schneller und in größeren Mengen erstellen als zuvor. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz könnten ideale Werbekonzepte, makellose Artikel und passende Bildunterschriften in Sekunden generiert werden. Zwangsläufig käme es so zu einem wahren Überfluss an Inhalten, der nach neuen Wegen der Kuration verlangt.
Je populärer Synthetische Medien werden, desto stärker wird die Rolle des Journalismus als demokratisches Kontrollorgan bedroht. Bilder und Videos sind nicht länger stumme Beweise, sondern verzerren die Realität. Ein Umstand, der vor allem in der Politik zur Gefahr werden könnte und Desinformationslieferanten in die Karten spielt. So könnte es zur Konkurrenz zwischen Synthetischen Medien und etablierten Medienhäusern kommen, weshalb die Medienkompetenz von Journalisten und Publikum in dieser Richtung geschult werden sollte.
Falls Synthetische Medien von der breiten Gesellschaft nicht akzeptiert werden, kommen sie wahrscheinlich nur noch innerhalb von Unternehmen zum Einsatz oder werden zu Unterhaltungszwecken genutzt. Technologiefirmen und Journalisten werden weiterhin daran arbeiten, politische Manipulationen durch Deepfakes möglichst gering zu halten.
Um die zahlreichen ethischen Bedenken aus dem Weg zu räumen, sollten Synthetische Medien davon abrücken, die Realität imitieren zu wollen. Stattdessen sollten sie klar als synthetisch erkennbar bleiben. Einheitliche Regelungen zur Kennzeichnung von Synthetischen Inhalten könnten erkennbar machen, wann es sich um künstliche Stimmen (Siri, Alexa etc.) und Avatare handelt, und wann nicht. So könnten Deepfakes zu einer eigenen medialen Kategorie werden, die auf viel Interesse stößt, die Realität jedoch nicht überlagert.
Sind Synthetische Medien der neue Marketing-Trend?
Eine repräsentative Studie von annalect und OMD zeigt, dass viele Menschen neugierig auf das Metaverse und seine synthetischen Medien sind: 61 Prozent der 3.000 Befragten im Alter von 16-60 Jahren können sich die Nutzung einer oder mehrerer digitaler Welten in Zukunft vorstellen. 11 Prozent der Befragten, überwiegend junge Männer, sind dort bereits aktiv. 27 Prozent können sich eine Nutzung (noch) nicht vorstellen, und nur 12 Prozent lehnen die Nutzung virtueller Welten gänzlich ab. Die virtuelle Welt „SecondLife“ wird mit 28 Prozent von den meisten Personen genutzt, gefolgt von „Metaverse“ mit 17 Prozent und „Decentraland“ mit 11 Prozent.
Trotz der Umbenennung von Facebook in Meta bleibt abzuwarten, ob der Konzern wirklich als erstes ein massentaugliches Metaverse auf den Markt bringen wird. Mit der VR-App „Horizon Workrooms“ hat Meta jedoch bereits einen ersten Grundstein für virtuelle Zusammenarbeit gelegt. Zudem wurden einige futuristische Gadgets entwickelt, um auch den Tastsinn in das Metaverse zu integrieren. Apple und Microsoft arbeiten an ähnlichen Mixed- und Augmented-Reality-Lösungen.
Die Aussicht, Events mit unendlich vielen Teilnehmer zu hosten oder ganz neue Shopping-Erlebnisse zu kreieren, lässt die Erfolgschancen für das Metaverse steigen. Auch Kryptowährungen könnten dort ihr volles Potenzial entfalten. Allerdings könnte es schwierig werden, ein so großes Netzwerk angemessen zu regulieren, und auch in Bezug auf Datenschutz sind noch viele Fragen offen. Auch ob die breite Masse das Metaverse letztendlich nutzen wird, bleibt abzuwarten.
In jedem Fall bringt das Metaverse neue Touchpoints und Werbemöglichkeiten hervor. Gerade digitale Produkte können auf diesem Weg gewinnbringend vermarktet werden. Öffnungszeiten von 24 Stunden am Tag sowie emotionale und erlebnisorientierte Werbung durch Veranstaltungen und Konzerte schaffen Marketingpotenziale, die einen Blick wert sind.