Unsere Analyse für die Oktober-Ausgabe des prmagazins befasst sich mit der Medienpräsenz der 27 Aufsichtsratsvorsitzenden der größten Unternehmen im Deutschen Aktienindex.
Eines steht fest, bei den großen, deutschen Unternehmen gilt: Die Kommunikation obliegt den Profis. So wird bei E.ON direkt davon abgesehen, den Aufsichtsratsvorsitzenden in die Kommunikation einzubinden, und bei VW twittert das PR- und Marketing-Team – unter anderem mit Zitaten von Dr. Herbert Diess. Unter der Prämisse, dass wenn der Aufsichtsratsvorsitzende nicht für das Unternehmen kommunizieren soll (oder sich dazu im Social Web nicht befähigt sieht), auch seine Präsenz in der Presse gering ausfallen dürfte, haben wir die Medienpräsenz der Vorsitzenden einmal genauer betrachtet.
Beitragsaufkommen: Wer steht an der Spitze?
Im ersten Halbjahr 2018 gab es insgesamt 527 Beiträge zu den 27 Aufsichtsräten. Dabei wurden vor allem Fehlentscheidungen und Unternehmenskrisen in Zusammenhang mit den Vorständen genannt. Mit rund 234 Beiträgen vereint Paul Achleitner (Deutsche Bank) rund 44% der Berichterstattung auf sich. Damit weist er die mit Abstand höchste Medienpräsenz auf – diese besteht jedoch vor allem aus negativer Kritik. So heißt es in der Frankfurter Rundschau beispielsweise, dass „der ehemalige Allianz-Manager Achleitner als Aufsichtsratschef versagt hat“ und sein „Vorgehen kopf- und strategielos wirkt“ (Frankfurter Rundschau, 04. April 2018). Aber auch Volkswagen-Aufsichtsratsvorsitzender Hans-Dieter Pötsch wird deutlich kritisiert: „Das Problem ist: Pötsch kann die Affäre gar nicht glaubwürdig aufklären, er ist selbst belastet. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hält ihm vor, die Aktionäre zu spät über den Dieselbetrug in den USA informiert zu haben – was Pötsch bestreitet“ (Spiegel, 22. Juni 2018). Insgesamt wird Pötsch in 131 Beiträgen genannt und somit am zweithäufigsten in den untersuchten Medien erwähnt. Joachim Faber, Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Börse, landet mit einem Beitragsaufkommen von 32 Artikeln auf dem dritten Platz. Er steht vor allem wegen seiner zögerlichen Haltung bei der Absetzung des CEOs Carsten Kengeter in der Kritik: „Seit Monaten kritisieren Aktionäre, er habe zu lange an dem unter Insiderverdacht stehenden früheren Vorstandschef Carsten Kengeter festgehalten“ (Focus, 19. Mai 2018). Im Falle Fabers wurde letztendlich so viel Druck von einflussreichen Aktionären ausgeübt, dass Faber seinen baldigen Rücktritt in Aussicht stellte: „Nun kündigte Faber an, er wolle sein Amt in angemessener Zeit in neue Hände legen“ (Focus, 19. Mai 2018).
Doch nicht alle Aufsichtsratsvorsitzenden werden in den Medien vorwiegend negativ erwähnt. So stellten wir bei unserer Analyse fest, dass BASF-Aufsichtsratsvorsitzender Jürgen Hambrechts Nachfolgeregelung ebenfalls besprochen wurde (mit 16 Beiträgen immerhin noch auf Rang 4) und dabei seine Tätigkeit im Aufsichtsrat weniger kritisch kommentiert wurde. Auch Simone Bagel-Trah, Chefkontrolleurin bei Henkel, wurde in den Medien eher wegen ihrer Stellung als einzige Frau in den DAX-30-Aufsichtsräten erwähnt und nicht aufgrund ihrer Tätigkeit als solche (6 Beiträge). Die übrigen 108 Beiträge verteilen sich auf 18 weitere Chefinspektoren. Über Richard Pott (Covestro), Manfred Bischoff (Daimler), Dieter Schenk (Frisenius Medical Care), Fritz-Jürgen Heckmann (Heidelberg Cement) und Wolfgang Büchele (Merck) wurde im Betrachtungszeitraum der Analyse nichts berichtet.
Themenklassifizierung: Was stand im Fokus?
Wenn nicht gerade über einen Wechsel im Aufsichtsrat informiert wird oder eine mögliche Frauenquote besprochen, so wird vor allem negative Kritik an den Aufsichtsräten ausgeübt. Während sich „Gewerkschafter, Politiker und die Öffentlichkeit fragen, wozu ein Aufsichtsratschef eigentlich Hunderttausende Euro pro Jahr kassiert, während es im Unternehmen drunter und drüber geht“ (Handelsblatt, 23. Mai 2018), wollten wir wissen, in welchem Themenumfeld die Aufsichtsratsvorsitzenden am häufigsten in den Medien erwähnt werden.
Da die Kritik in den Medien dominiert, ist es nicht verwunderlich, dass 60 % der Beiträge den Themenschwerpunkt „Management und Führung“ umfassen. Hierbei handelt es sich um 314 Artikel von insgesamt 527, welche hauptsächlich Personalentscheidungen oder die allgemeine Arbeit der Aufsichtsratsvorsitzenden kommentieren: „Es war deswegen wohl kein Zufall, dass Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch auch von der ‚Einstellung zu einem gewissen Arbeitspensum‘ sprach, als er den Wechsel von Müller zu Diess begründete“ (Faz, 14. April 2018). An zweiter Stelle – und das mit einem deutlichen Abstand – folgt der Themenschwerpunkt „soziale Verantwortung“. Hierauf beziehen sich rund 89 Artikel, also 16% insgesamt, wobei die mediale Berichterstattung sich dabei vor allem um die laufenden Ermittlungen im VW-Abgasskandal und den Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Dieter Pötsch dreht. Insgesamt gab es fast 131 Artikel zu Pötsch und fast die Hälfte der Artikel (66 insgesamt) erwähnen den Aufsichtsrat im Zusammenhang mit dem Thema „Soziale Verantwortung“.
Während also Fehlentscheidungen und Mitschuld an den jeweiligen Unternehmenskrisen dominieren, werden sie allerdings im Kontext der „Wirtschaftlichen Performance“ der Unternehmen jedoch eher selten oder nur in untergeordneter Rolle erwähnt (12% der Beiträge). Oft ist die Kritik an der Amtsführung auch direkt mit einer Rücktrittsaufforderung verbunden: Insgesamt 126 Artikel (24%), welche die Amtsausführung kritisieren oder dem Aufsichtsratsvorsitzenden zu viele Ämter vorwerfen, fordern auch einen Rücktritt. So wird in einem Artikel im Handelsblatt darauf gedrängt, dass Linde-Aufsichtsratsvorsitzender Reitzle „die Zahl seiner Mandate reduzieren sollte“ (Handelsblatt, 03.Mai 2018).
Owned Media: Kommunikation im Social Web
Nachdem die Berichterstattung in der Presse zumeist negativ besetzt war, wollten wir wissen, ob die Aufsichtsräte Social-Media-Kanäle nutzen, um sich oder die Kernthemen ihrer Unternehmen anders zu positionieren und einen Diskurs zu starten. Dabei untersuchten wir folgende Social-Media-Plattformen: Facebook, Instagram, Twitter, LinkedIn, XING, Google+ und YouTube.
Dort gab es zwar einige Posts zu den einzelnen Aufsichtsratsvorsitzenden, doch eine qualitative Analyse hat gezeigt, dass es sich bei einem Großteil der Accounts um Fake Accounts handelt. Vor allem BMW-Aufsichtsratsvorsitzender Norbert Reithofer ist von diesem Problem auf Facebook betroffen: Unter seinem Namen werden diverse ungewöhnliche Beiträge veröffentlicht, sodass keiner der gefunden Accounts als verifiziert eingeordnet werden konnte.
Als Einziger der 27 Aufsichtsräte besitzt Jim Hagemann Snabe verifizierte Profile und das sowohl auf Twitter als auch auf LinkedIn – beide Kanäle werden auch aktiv von ihm bespielt. Während er Informationen und News von Siemens hauptsächlich unverändert aufgreift und verbreitet, nutzt er die Kanäle hauptsächlich, um sich mit Posts und Kommentaren zu den Themen Digitalisierung, Entrepreneurship und Innovation zu positionieren. Frei nach dem Motto: „Wir müssen Digitalisierung optimal nutzen, um so eine bessere Zukunft zu schaffen“ (Handelszeitung online, 15. Februar 2018).
Konsens: Zurückhaltung gegenüber den Medien und im Netz
In den klassischen Medien werden die Aufsichtsratsvorsitzenden nur selten genannt und noch seltener mit einer eigenen Aussage zitiert. Wenn sie in der medialen Berichterstattung erscheinen, dann oft mit negativer Konnotation bei Unternehmenskrisen und bei Entscheidungs- und Vertrauensfragen. Auf Social-Media-Kanälen könnten sie zwar aktiv werden, sich positionieren und reagieren, allerdings wird hier scheinbar aus Mangel an Zeit und Interesse, eventuell wegen der Unternehmenskultur und vermutlich auch aus Angst vor Kommunikationskrisen darauf verzichtet. Es stellt sich die Frage, ob bei der Wirtschaftselite gilt:
Weniger ist mehr und „gar nichts“ ist die Königsdisziplin?
Den ganzen Artikel des prmagazins „Königsmacher oder Buhmänner“ können Sie hier nachlesen oder herunterladen.