Neben Facebook, Instagram & Co. könnte sich demnächst ein weiteres soziales Netzwerk in der Online-Welt etablieren: eine Video-App mit dem prägnanten Namen „TikTok.“ Das Netzwerk verzeichnet nach eigenen Angaben bereits rund 800 Millionen Nutzer und macht damit Instagram Konkurrenz. Nicht verwunderlich also, dass TikTok bereits plant, Gewinne durch Werbung zu erwirtschaften. Viele B2C-Unternehmen experimentieren zurzeit mit der Plattform. Doch wie stehen hier die Chancen für Unternehmen im B2B-Bereich?
Nicht nur für private Nutzer, sondern auch für Unternehmen könnte TikTok zukünftig interessant werden, vor allem hinsichtlich der jungen Zielgruppe. Denn genutzt wird das neue Netzwerk derzeit hauptsächlich von Teenagern; viele von ihnen sind 13 Jahre alt oder jünger. Für die gezielte Vermarktung von Konsumprodukten an junge Zielgruppen oder auch für Recruiting-Maßnahmen könnte TikTok also eine ideale Plattform bieten. Ob diese allerdings zukünftig in der B2B-Kommunikation eine Rolle spielen könnte, ist noch unklar.
TikToks junge Influencer
Die Attraktivität eines Kanals für die eigene Unternehmenskommunikation steht und fällt mit der Antwort auf die Frage, ob dort bereits relevante Inhalte kommuniziert werden und inwiefern dies Ergebnisse erzielt. Wichtig sind hier die Influencer, die innerhalb der Nische des Unternehmens agieren und somit für eine Kooperation in Frage kommen, sofern ihre geposteten Inhalte mit der Unternehmensphilosophie vereinbar sind. Da es derzeit jedoch angesichts der sehr jungen und vorwiegend minderjährigen TikTok-Nutzer im B2B-Bereich noch keine brancheninternen Influencer gibt, gestaltet sich dies als mühsam. Zudem wird die App derzeit hauptsächlich von Privatpersonen genutzt, was es schwierig macht, Zielunternehmen direkt anzusprechen. B2B-Kommunikation richtet sich an kompetente Entscheider, und von den jungen TikTok-Nutzern lässt sich das notwendige Fachwissen natürlich nicht erwarten.
Aus diesem Grund lehnen viele B2B-Unternehmen die App derzeit ab und vertrauen lieber weiterhin auf direkte Kontakte, Branchenkenntnis und bewährte Strategien. Außerdem ist ein persönlicher Austausch zwischen Werbetreibendem und potenziellem Kunden auf großen Social-Media-Plattformen nicht möglich.
Kreative Zone oder kindliche Spielwiese?
Eine weitere Hürde für B2B, aber auch für B2C, ist das generelle Prinzip von TikTok. Die App setzt nämlich ausschließlich auf visuelle Inhalte in Form von kurzen Videos. Dementsprechend bleibt wenig Zeit, die Aufmerksamkeit der Nutzer zu erlangen und zu fesseln. Außerdem braucht es viel kreatives Potenzial, um TikTok erfolgreich zu nutzen und positiv wahrgenommen zu werden. Es ist wichtig zu verstehen, welche Features die App derzeit so attraktiv machen. Viele erfolgreiche Videos zeichnen sich aus durch Storytelling, angesagte Musik, kreative Tänze oder bunte Filter. Durch bestimmte Schnittverfahren und Effekte kann man beispielsweise Dinge verschwinden lassen oder verschiedene Illusionen kreieren, denn es sind Wow-Effekte wie diese, die die junge Zielgruppe begeistern und das Suchtpotenzial der App ausmachen.
Aus diesem Grund sind die Inhalte auf TikTok für viele Unternehmen zu spielerisch und die Philosophie der Plattform nicht mit dem Markenimage vereinbar. Und wenn man sich dann doch an die Plattform herantraut, wie einige B2C-Unternehmen, dann liegt die Kunst darin, die Interessen der jungen Menschen zu bedienen, ohne das eigene Unternehmen lächerlich oder gar unseriös wirken zu lassen. Außerdem sollten die veröffentlichten Inhalte einzigartig sein. So erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass das Video viral geht und viel Aufmerksamkeit erhält.
Die größte Schwierigkeit liegt aber wahrscheinlich darin, die persönliche Komponente der Videos auf eine unternehmerische Ebene zu bringen. Es empfiehlt sich, eine repräsentative Persönlichkeit zu erschaffen, die das Unternehmen verkörpert, oder mit Influencern zusammenzuarbeiten, die die Werte der Marke teilen. Denn ebenso wie Instagram setzt auch TikTok auf Persönlichkeit und Authentizität. Aber generell gilt: Qualität hat ihren Preis. Und die Produktion von qualitativ hochwertigem Content benötigt viel Zeit und Geld, weshalb Maßnahmen nur dann ergriffen werden sollten, wenn sie erfolgversprechend sind. Und TikTok-Videos sind es jedenfalls im B2B-Bereich derzeit in vielerlei Hinsicht noch nicht.
TikTok hat Potenzial
Dennoch sollte man die Plattform noch nicht vollständig abschreiben, sondern erst einmal beobachten. Obwohl die Wahrscheinlichkeit, relevante Entscheidungsträger über TikTok anzusprechen, relativ gering ist, ist es durchaus denkbar, dass diese die App vielleicht privat nutzen und so auf bestimmte Unternehmen aufmerksam werden. Und Berufliches und Privates lässt sich ja bekanntlich nicht immer trennen.
Interessanter als für reine Werbung könnte TikTok für Recruitingmaßnahmen sein. Denn auf der Plattform tummeln sich lauter junge Menschen, die sich früher oder später auf die Suche nach einem attraktiven Arbeitgeber machen werden. Und da ist es wahrscheinlicher, dass die Entscheidung auf ein Unternehmen fällt, welches den jungen Nutzern durch TikTok im Gedächtnis geblieben ist.
Wer keine Produktwerbung betreiben, sondern einfach nur die Markenwahrnehmung verbessern will, kann die App auch für reine Aufmerksamkeitsgenerierung nutzen. Allerdings nur, wenn genug Zeit und Kapazität vorhanden ist, damit keine Ressourcen verschwendet werden, welche an anderer Stelle effektiver eingesetzt werden könnten. Und Qualität geht schließlich vor Quantität. Um den Aufwand minimal zu halten, empfiehlt es sich, die eigenen Mitarbeiter zu involvieren und als Markenbotschafter einzusetzen. Das vermittelt Authentizität und stärkt das Gemeinschaftsgefühl.
Fazit
TikTok wächst schnell und derzeit ist noch keine Stagnation in Sicht. Besonders für Influencer, aber auch für B2C-Unternehmen, bietet ein junges Netzwerk ideale Bedingungen, um effektives Marketing zu betreiben, da es noch nicht so übersättigt ist wie Instagram oder Facebook. Für B2B-Unternehmen bleibt die Plattform jedoch weiterhin uninteressant, da sich dort derzeit keine relevanten Zielgruppen aufhalten. Wären die Nutzer insgesamt älter und würde die App nicht auf den ersten Blick an eine kindliche Spielwiese erinnern, wäre die Produktion seriöser Werbe- und Recruitingvideos denkbar und durchaus wirksam. Das hohe Engagement in der App bleibt interessant; dennoch ist es sinnlos, Menschen zu erreichen, die mit dem eigenen Unternehmen nicht viel anfangen können. Im B2C-Bereich sieht das schon anders aus. Doch derzeit entspricht das Image von TikTok sowie dessen Fokus auf das Authentische und Persönliche einfach noch nicht den Absichten, Zielen und Möglichkeiten der Unternehmen im B2B-Bereich.