Mit der „Closing Ceremony“ verabschieden sich die Macher der Berliner Social-Media-Konferenz von ihren Besuchern. Nach drei Tagen, gespickt mit Sessions, Pannels und Diskussionen, werden die Tore der Messehalle langsam geschlossen. Was bleibt? Besonders in diesem Jahr kristallisierten sich klare Schwerpunkte im Mediengeschehen heraus. Gemeinsamer Diskurs, politische Debatten und die aktuellen Social-Media-Trends standen an der Tagesordnung. pressrelations fasst die Highlights der digitalen Konferenz zusammen.
Das Internet als rechtsfreier Raum
Selten wurde in einem Jahr so viel entschieden: Von der Datenschutzgrundverordnung über die Urheberrechtsreform bis hin zur Rechtslage des einzelnen Influencers – Die juristischen Feinheiten und verwirrende Einzelfälle sind für die breite Masse kaum noch überschaubar. Veranstaltungen mit Spezialisierung auf das Social-Media-Recht können daher den Grundstein für den reibungslosen Umgang mit der digitalen Welt legen. Mit Vorträgen zur juristischen Lage von Blogger*innen und Journalist*innen werden Unklarheiten beseitigt und Einzelfallentscheidungen zum praxisnahen Verständnis herangezogen. Auch pressrelations beschäftigte sich mit der umstrittenen Rechtslage und gibt praktische Tipps zur korrekten Werbekennzeichnung auf Instagram.
Ein Pflichttermin und Highlight der Konferenz war die Diskussion zur Thematik des EU-Leistungsschutzrechts mit dem CDU-Abgeordneten Axel Voss. Der Verantwortliche für die EU-Urheberechtsreform diskutierte eine Stunde lang mit dem Founder und Chief Editor von netzpolitik.org, Markus Beckedahl, und stellte sich den kritischen Fragen des Publikums.
Der rechte Raum des Internets
Die rechte Szene im Internet wächst immer weiter. Neben Internettrollen und politisch motivierten Bewegungen werden im digitalen Zeitalter Strategien benötigt, um mit der Medienwirksamkeit des populistischen Gedankenguts umzugehen. Themen wie Machtausübung, Manipulation, Hass und Fake News werden in zahlreichen Sessions analysiert und bewertet. Eva Horn, Social-Media-Redakteurin bei Spiegel ONLINE, erklärt, dass der Wachstum der rechten Szene so schnell voranschreitet, weil kein öffentlicher Gegendruck vorherrscht. Im Vortrag „Wie Populisten uns auf Social Media vor sich hertreiben“ beschreibt sie die Vorgehensweise und Auswirkungen der medienwirksamen Maschinerie der Hetze.
Nicht nur auf den sozialen Plattformen, auch auf anderen Medien wird der Rechtsruck wahrgenommen. Der Vortrag „Pop und Populismus“ zeigt den Zusammenhang zwischen dem Aufschwung des Rechtspopulismus’ und seinen Auswüchsen: Sexismus, Antisemitismus und Homophobie sind mittlerweile fester Bestandteil der Popkultur und damit Teil der Musikbranche. Darüberhinaus verbreiten sich diese auf sozialen Netzwerken wie ein Lauffeuer. Jens Balzer stellt sich die Frage, wie der Musikbereich unter großen politischen Einflüssen seine Freiheit bewahren kann.
Die Renaissance der Audio-Formate
In der erneuten Hochphase der Audio-Kultur kommt man auch auf der Social-Media-Konferenz nicht am Thema Podcasts vorbei. Egal, ob Aufnahmen auf dem Konferenzgelände oder Live-Streams aus den Messesälen: Vom kleinen Podcaster bis hin zum großen Audio-Vermarkter kann die re:publica alles bieten. Einerseits werden die Hintergründe des Podcastings durchleuchtet, andererseits steht die Frage im Raum, wie die Zukunft des Audio-Mediums aussieht. Dabei interessierte die Konferenzbesucher insbesondere die Frage nach der Monetarisierung von Audio-Formaten. Auch pressrelations untersuchte bereits für das prmagazin das aufstrebende Audio-Format und seine Funktion als Kommunikationskanal für Unternehmen.
Bereits am ersten Messetag zeigte Deezer in der Podcast Masterclass Expertise in Konzeption und Produktion der Audio-Formate. Darüberhinaus wurden die aktuellen Trends und Hypes des Mediums präsentiert. Darauf aufbauend wurden im Folge-Slot der Deezer Podcast-Preis an aufstrebende Podcaster*innen verliehen. Der Fokus der Podcasting-Szene lag jedoch auf dem Audio-Livestreaming. Mit mehreren Slots wurden auf der re:publica neue Epidoden der Audio-Formate aufgenommen und direkt veröffentlicht. Mit dabei war beispielsweise der COSMO-Podcast über Rap & Politik des WDR oder „Eine Stunde was mit Medien“ mit den Moderatoren Daniel Fiene (RP Online) und Herrn Pähler. Die Livestreaming-Ebene vereinte dabei die Grenzen von Information und Unterhaltung.
„Eine Stunde was mit Medien“ wird im Rahmen des Deutschlandfunk Nova produziert. Die Ausstrahlung erfolgt immer donnerstags von 20 bis 21 Uhr und wird darüberhinaus als Podcast-Folge veröffentlicht.
Boterkennung und Empörungswellen
Auch der Medienmonitoring-Bereich ist auf der re:publica 2019 vertreten: Gerade in Zeiten digitaler Shitstorms sind die Anforderungen an die Medienbeobachtung immens. Am Beispiel der politischen Empörungswelle Anfang des Jahres, die durch einen Tweet von Nicole Diekmann ausgelöst wurde, zeigte Luca Hammer, wie die Hass-Bewegung voranschritt und sich die darauffolgende Sympathiewelle für Diekmann auf Twitter ausbreitete. Mithilfe eines Python-Skripts und verschiedener Analyse- und Visualisierungstools kann Hammer nicht nur den Verlauf der beiden Shitstorms nachvollziehen und beschreiben, sondern ist in der Lage, den User Generated Content genauer zu spezifizieren. Dabei ist die zentrale Fragestellung, ob es sich bei Diekmanns Kritikern nicht eigentlich um Bots und damit eine geplante, politische Empörungswelle für die ZDF-Hauptstadtkorrespondentin handelt.
Fazit
Mit den zahlreichen Programmpunkten, dem gemeinsamen Diskurs und der Aktualität an Themen ist die re:publica 2019 am Puls der Zeit. Die Konferenz bietet den optimalen Raum zum Austausch und Netzwerken. Der interdisziplinäre Ansatz mit den Schwerpunkten Politik, Social Media, Journalismus und Technologie ist richtungsweisend und unbedingt erforderlich, um die komplexen Sachverhalte der digitalen Welt aus allen Blickwinkeln betrachten zu können.