Der Anzeigenäquivalenzwert (kurz AÄW) ist einer der meistgefragten Analysekennzahlen und gilt unter Analysten zugleich als äußerst umstritten. In diesem Blogbeitrag zeigen wir auf, welche Vor- und Nachteile er mit sich bringt und was Sie beachten sollten, wenn Sie den AÄW für sich nutzen möchten.
Für die Berechnung des AÄW gibt es zahlreiche Formeln, manche äußerst komplex, andere eher simpel, und manche wiederum arbeiten mit einer zumindest diskussionswürdigen Logik. Trotzdem ist der Anzeigenäquivalenzwert in vielen Unternehmen eine der zentralen Kennzahlen, wenn es darum geht, den Erfolg der eigenen Öffentlichkeitsarbeit und den PR-Maßnahmen zu bewerten. Besonders ausgeprägt ist die Bedeutung des Wertes unserer Erfahrung nach, wenn es um die Bewertung von Sponsoring-Maßnahmen geht. Hier wird nicht selten ausschließlich der Werbegegenwert als Bezugsgröße herangezogen.
Aus diesem Grund möchten wir an dieser Stelle einmal die Vor- und Nachteile des AÄWs beleuchten und uns anschauen, wie aussagekräftig er tatsächlich ist.
Die Ausgangssituation – diskutable Grundannahmen
Wie der eigenwillig lange Name schon andeutet, soll der AÄW anzeigen, was der Preis für eine Anzeige gewesen wäre, die ebenso viel Platz einnimmt, wie der redaktionell erstellte Beitrag. Dabei spielt es im Übrigen keine Rolle, ob es sich um Print- oder Onlinemedien handelt. Hier werden lediglich etwas unterschiedliche Parameter für die Berechnung zugrunde gelegt, im Wesentlichen orientiert sich der AÄW jedoch bei beiden an dem Preis für eine Print-Anzeige bzw. eine digitale Banneranzeige. Der Anzeigenäquivalenzwert wird in der PR daher auch, häufig in Kombination mit anderen Werten, unter Return on Investment (ROI) zusammengefasst.
Wie fragwürdig der AÄW ist, zeigt sich schnell, wenn wir die zugrunde liegende Annahme betrachten, dass redaktionelle Beiträge und Anzeigen vom Leser mit der gleichen Aufmerksamkeit betrachten werden. Medienwissenschaftler und Psychologen haben hier starke Zweifel, die vermutlich fast jeder aus seinen Alltagsbeobachtungen bestätigen kann. Wer widmet sich schon einer Anzeige mit der gleichen Intensität wie einem Artikel?
Anderseits: ein langer Artikel, der belanglose Inhalte aneinanderreiht und als Textwüste daherkommt, wird in der Regel weniger Beachtung finden als eine interessante Anzeige, die uns visuell und emotional anspricht. Umgekehrt kann ein spannender und aufschlussreicher Artikel, der vielleicht auch grafisch aufbereitet ist, uns lange in seinen Bann ziehen. Wir denken mitunter tagelang darüber nach und verinnerlichen die Informationen tiefgehend, während wir eine einfallslose Anzeige häufig schlicht überblättern.
Wie diese Beispiele verdeutlichen, bezieht der AÄW sich ausschließlich auf eine quantitative Messgröße, über die Qualität und die Werbewirkung sagt er nichts aus.
Die Berechnungsgrundlage – Der Teufel steckt im Detail
Wer mit dem Anzeigenäquivalenzwert ernsthaft arbeiten möchte, kommt nicht umhin, sich auch mit der zugrundeliegenden Formel zu beschäftigen: Bei Printmedien wird für die Berechnung die Größe des Artikels (Höhe x Breite in cm²) errechnet und geprüft, was eine Anzeige im entsprechenden Format an dieser Position gekostet hätte.
Auch wenn sich dieses Vorgehen zunächst schlüssig anhört, birgt es folgenschwere Ungenauigkeiten. Denn, nicht immer kann ein absolut vergleichbarer Anzeigenpreis ermittelt werden. So bietet schließlich kaum ein Verlag Anzeigen an prominenten Seiten wie z.B. dem Titel an. Hinzukommt, dass die Artikelgröße keinen Schluss darüber zulässt, wie über das entsprechende Unternehmen oder die entsprechende Organisation berichtet wurde. Wurde das Unternehmen harsch kritisiert? Oder als Positivbeispiel hervorgehoben? Für die Berechnung des AÄW würde eine Titelstory, die sich z.B. mit Korruption oder den frauenfeindlichen Strukturen einer Organisation beschäftigt, denselben Wert erhalten, wie ein Beitrag über die vorbildliche Führungsriege oder das ausgeprägte Umweltbewusstsein eines Hauses. Ebenso stellt sich die Frage nach der Exklusivität: Ging es bei dem Artikel ausschließlich um das eigene Unternehmen, oder stand eigentlich ein Wettbewerber im Mittelpunkt, und das eigene Haus wurde lediglich am Rande erwähnt? Auch hier sähe der einfache Anzeigenäquivalenzwert identisch aus, obwohl die Botschaften beim Rezipienten vermutlich sehr unterschiedlich ankommen.
Der AÄW in den verschiedenen Medien
Bei der Berechnung des Anzeigenäquivalenzwertes in TV- und Radio wird die Länge des Beitrages zugrunde gelegt und mit den entsprechenden Werbepreisen der Sender abgeglichen. Diese variieren je nach Länge des Spots und Sendezeit. Hier kommt neben den genannten noch eine weitere Schwierigkeit hinzu. Denn für alle sogenannten nicht-werbeführenden Tageszeiten, das gibt es z.B. bei ARD und ZDF, und für nicht werbeführende Sender, z.B. Dritte Programme und Arte, liegen keine passenden Bezugsgrößen für die Berechnung des Anzeigenäquivalenzwertes vor. Das heißt, für einen nicht unerheblichen Teil der deutschen Sendelandschaft lässt sich streng genommen kein Werbegegenwert ermitteln. Stattdessen werden Näherungswerte ermittelt und zugrunde gelegt.
Arbeiten mit dem AÄW
Wer den Anzeigenäquivalenzwert für Marketing und PR nutzen möchte, sollte ein paar einfache Details berücksichtigen, die die Aussagekraft des Wertes stark erhöhen können.
Wer ernsthaft mit dem Wert arbeiten möchte, dem raten wir zum Beispiel dazu, auf den sogenannten gewichteten Anzeigenäquivalenzwert zurück zu greifen. Bei diesem fließt, je nach Wunsch und Ziel der Analyse, entweder die Tonalität (wird das Unternehmen, die Marke, etc. positiv oder negativ dargestellt?) oder die Exklusivität (ging es vor allem um das eigene Haus oder stand ein anderes Unternehmen im Mittelpunkt des Berichtes?) des Artikels in die Berechnungsgrundlage ein. Auf diesem Wege würde ein stark negativer Artikel einen negativen Wert erzielen. Und ein Beitrag, der sich eigentlich mit etwas anderem beschäftigt und das eigene Unternehmen nur kurz erwähnt, würde einen geringeren Wert erzielen als ein Schwerpunktbericht zur Hausmarke. Auf diese Weise kann die Aussagekraft stark erhöht werden.
Darüber hinaus empfehlen wir allen, die den Anzeigenäquivalenzwert nutzen möchten, diesen über eine längere Zeitspanne hinweg zu erheben und in Relation zu setzen. So erhalten Sie vergleichbare KPIs, deren Veränderungen Rückschlüsse auf die eigene Medienarbeit zu lassen. Wichtig ist dabei, dass die Berechnungsgrundlage sowie das zugrundeliegende Medienset über längere Zeiträume stabil bleiben.
Eine weitere Empfehlung, die nicht nur für den AÄW gilt, ist: Ziehen Sie weitere Kennzahlen hinzu, auch wenn Sie keine umfassende Analyse ihrer Medienresonanz vornehmen oder vornehmen lassen. Auch für eine rein quantitative Betrachtung sollten Sie KPIs wie z.B. die Artikelanzahl, ggf. im Vergleich mit Ihren Wettbewerbern, Reichweiten und Tonalität (sofern möglich) ebenfalls betrachten und in Relation zueinander setzen. Und nicht zuletzt: Seien Sie sich bewusst, dass der AÄW allein keine wissenschaftlich exakte Aussagekraft besitzt und Sie ihn nicht 1:1 als (gesparte) Ausgabe für Ihre Medienarbeit werten sollten.