Redaktionen stehen heute vor großen Herausforderungen: Wie lassen sich Menschen überhaupt noch mit Inhalten erreichen — in Zeiten, in denen Informationsangebote so vielfältig, so frei verfügbar und so schnelllebig geworden sind? Lesen Sie im Interview mit Dr. Martin Kessler, Leitender Redakteur Politik bei der Rheinischen Post, welche Rolle Zitate bei dieser Frage spielen und welche Ansätze es gibt, den Erfolg der eigenen Berichterstattung zu messen:
pressrelations Blog: Herr Dr. Kessler, die Rheinische Post ist die regionale Tageszeitung, die in Deutschland am häufigsten zitiert wird und erzielt auch im Vergleich mit überregionalen Titeln wie Bild, Süddeutscher Zeitung und Spiegel sehr gute Ergebnisse – verraten Sie uns Ihr Erfolgsrezept?
Dr. Martin Kessler: Wir haben mit unserer Berliner Redaktion, der NRW-Landesredaktion aber auch mit unseren Ressorts Sport, Wirtschaft, Kultur und Report starke Recherche-Verbünde. Wir arbeiten als Team, einsame Nachrichtenjäger gibt es bei uns nicht. Jedes Ressort ist gefragt, sich Gedanken zu machen, relevante Themen aktiv zu platzieren und Geschichten nicht einfach nur abzubilden. Außerdem ist unsere Haltung gegenüber Politikern auch sehr klar: Wer ins Blatt will, muss auch etwas Relevantes sagen, ansonsten kommt er bei uns eben nicht vor.
Haben Sie da ein konkretes Beispiel?
Dr. Martin Kessler: Kürzlich sprach sich Thomas de Maizière in einem RP-Interview für Hilfspolizisten als Maßnahme gegen Einbrüche aus. Und Sigmar Gabriel befürwortete vor einigen Jahren die Einführung von Tempo 120 auf der Autobahn – das sorgte allgemein für große Aufmerksamkeit und wurde von vielen Medien aufgegriffen.
Warum ist die Frage, wie häufig die Rheinische Post von anderen Medien zitiert wird, wichtig?
Dr. Martin Kessler: Das Zitate-Ranking ist für uns ein Instrument, um die öffentliche Wahrnehmung und damit unsere Bedeutung im Vergleich zu anderen Marken zu messen. Wir zeigen damit unseren Lesern, dass unsere Inhalte so relevant sind, dass sich andere darauf beziehen und signalisieren unseren Gesprächspartnern, dass wir über eine gewisse Durchschlagskraft verfügen. Wir nutzen das Ranking also sowohl zur Leserbindung als auch zur Markenbildung. Das Thema Erfolgsmessung ist bei uns aber nicht neu: Wir beschäftigen uns seit 20 Jahren mit der Frage, welche Themen für unsere Leser relevant sind. In den Anfängen haben wir selbst erfasst, wie oft wir z.B. von Agenturen aufgegriffen wurden. Für einen umfassenden Überblick über die deutsche Medienlandschaft, brauchten wir aber dann doch professionelle Unterstützung.
Welche Bedeutung hat Exklusivität in diesem Zusammenhang?
Dr. Martin Kessler: Mit einem guten Zitat oder einer exklusiven Nachricht lässt sich natürlich oftmals schneller Aufmerksamkeit erregen, als über eine komplexe Analyse oder eine rechercheintensive Reportage. Wenn wir aber mit einer Analyse eine Debatte oder Diskussion anstoßen, auf die andere Medien einsteigen – dann werten wir das noch stärker als Erfolg unserer Arbeit, auch wenn wir damit nicht zitiert werden.
Nach Madsack und DuMont hat auch die Funke Mediengruppe im letzten Jahr eine Zentralredaktion in Berlin eingerichtet. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Dr. Martin Kessler: Die Einrichtung von Zentralredaktionen in Zeiten sinkender Auflagen ist sicher für manche Redaktionen ein sinnvolles Modell. Wir fahren derzeit mit unserem integrierten Print- und Onlinemodell allerdings sehr gut und sind mit der Marke „Rheinischen Post“ so wie sie ist sehr zufrieden.
Mit welcher Strategie blicken Sie in die Zukunft?
Dr. Martin Kessler: In meinen Augen wird die schnelle Nachricht als Möglichkeit, Exklusivität zu erlangen – zumindest für Printmedien – an Gewicht verlieren. Schon heute läuft die Hälfte aller Nachrichten über Social Media-Kanäle. Politiker publizieren sich selbst direkt über ihren Twitter-Kanal oder ihr Facebook-Profil und erzielen bisweilen große Reichweiten. Unsere Strategie ist es daher, auf originäre Inhalte, auf Analysen und gut recherchierte Geschichten zu setzen und noch stärker crossmedial zu arbeiten.
Auf der re:publica sprach der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen von der „fünften Gewalt“ in Form der „vernetzen Vielen“ – was halten Sie von dieser Konkurrenz?
Dr. Martin Kessler: Generell halte ich viel davon, Macht auf verschiedene Schultern zu verteilen. Das bedeutet Demokratie und für Bürgerinnen und Bürger größtmögliche Informationsfreiheit. Ich sehe es hingegen als kritisch an, wenn beim Wettbewerb um Schnelligkeit Qualität und Fakten auf der Strecke bleiben und Debatten verflachen oder vulgarisiert werden. Hier sehe ich Journalisten gefordert, Informationen in Zusammenhänge zu stellen, Hintergründe zu beleuchten und Nachrichten zu gewichten. Sicher muss Qualitätsjournalismus auch bezahlt werden und bezahlbar sein. Unser Ziel ist es daher, die Rheinische Post als Marke zu etablieren, die das Versprechen bereithält: Hier bekomme ich relevante Informationen für mein Geld.
pressrelations Blog: Herr Dr. Kessler, vielen Dank für das Gespräch.
Ziel von pressrelations Zitate-Ranking ist es, den Nachrichtenwert von Redaktionen näher zu bestimmen. Die Häufigkeit mit der ein Medium von einem anderen zitiert wird, lässt Rückschlüsse auf Relevanz und Exklusivität der Inhalte zu und letztendlich auch auf den Einfluss, den ein Titel auf die Medienlandschaft hat. Mit der Rheinischen Post arbeiten wir seit 2014 zusammen.