In Zeiten von Corona standen viele schon einmal vor dem einen oder anderen leeren Supermarktregal. Die Befürchtung, wegen der Pandemie nicht mehr wie gewohnt einkaufen zu können, ist für viele ein Grund zu hamstern. Wie hat sich das Konsumverhalten in den letzten Wochen verändert?
Hamsterkäufe in Deutschland
Im März wurden die sozialen Netzwerke mit Bildern zum Thema Hamsterkäufe überflutet. Fast schon panisch wurden Nudeln, Toilettenpapier und Desinfektionsmittel in Geschäften leer gekauft. Falschmeldungen, dass große Supermarktketten ihre Öffnungszeiten stark einschränken würden, lösten Unsicherheit aus.
Rund jeder dritte Deutsche habe in der 12. Kalenderwoche (16.-22. März) mehr Vorräte an Lebensmitteln als sonst angelegt, berichtet das IFH Köln in ihrem „Corona Consumer Check“. Dabei gaben 17% der Befragten an, mehr Hygieneartikel wie z.B. Toilettenpapier gekauft zu haben.
Eine Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes zeigt, wie Verkaufszahlen von Seife, Toilettenpapier, Mehl, Desinfektionsmittel und Bier sich von Ende Februar bis zum 22. März 2020 verändert haben.
Bereits Ende Februar verdoppelte sich der Absatz. Die Zahlen für Mehl (+150 %), Seife (+122 %) oder Teigwaren (+109 %) waren in der 9. Kalenderwoche mehr als doppelt so hoch wie im Durchschnitt der sechs Monate zuvor. Mehr als das Achtfache betrug der Absatz der Desinfektionsmittel (+751 %) in der ersten Märzwoche (KW10). Da es vorübergehend ausverkauft war, lag es zwei Wochen später bei -49%.
In der Nielsen-Analyse ist im Vergleich zu Daten des Vorjahres eine ähnliche Entwicklung zu beobachten. Bei Desinfektionsmitteln (+466,8 %) wurde mehr als das fünffache, bei Mehl (+148,8 %) und bei Teigwaren (+108,4 %) mehr als das zweifache in der 9. Kalenderwoche verkauft. Bei Bier und Zigaretten ist die Nachfrage hingegen um rund 10% gesunken. Laut Nielsen haben von der Nachfrage „sowohl Marken als auch Eigenmarken profitiert“.
Konsumverhalten: 6 Phasen der Auswirkungen von Corona
Das Einkaufsverhalten wird laut der internationalen Nielsen-Studie durch Medienberichte über Covid-19 und Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie beeinflusst. Die Schlüsselereignisse spiegeln sich in sechs Phasen des Verbraucherverhaltens wider. Diese Muster können als Frühindikatoren für Hersteller und Einzelhändler dienen, und können Unternehmen helfen, ihre Lieferkette an veränderte Kaufgewohnheiten anzupassen.
1. Proaktiv einkaufen
In der ersten Phase wurden wenige lokale Fälle von Covid-19 festgestellt, die Verbraucher haben dabei zunächst proaktiv und gesundheitsbezogen eingekauft. Vor allem Desinfektionsmittelverkäufe verfünffachten sich fast Ende Februar in Deutschland.
2. Reaktiv einkaufen
Mit der Steigerung von lokalen Fällen ohne Bezug zu einem anderen Land und ersten nachgewiesenen Todesfällen von Covid-19 in Deutschland, steigen auch Verkaufszahlen von Atemmasken und Desinfektionsmitteln.
3. Speisekammer auffüllen
Mit zunehmender Häufung von Infizierten in der dritten Phase werden immer mehr haltbare Lebensmittel auf Vorrat gekauft. So sind nach Meldung weiterer Corona-Fälle in Nordrhein-Westfalen Ende Februar die Verkaufszahlen für Konserven, Mehl, salzige und süße Snacks angestiegen.
4. Vorbereitungen zur Quarantäne
Die ersten vereinzelten Coronavirus-Einschränkungen führten dazu, dass Verbraucher immer mehr online einkaufen. Die Bedeutung des stationären Handels bleibt trotzdem auf hohem Niveau.
5. Eingeschränktes Leben
Mit Einführung der Ausgangssperre nimmt die Bedeutung des Online-Handels wieder ab. Sorgen um die Warenversorgung steigen.
6. Rückkehr zur neuen Normalität
In der sechsten und letzten Phase werden Quarantänen aufgehoben, das Leben beginnt sich zu normalisieren, E-Commerce und Hygiene bleiben wichtig.
Wie hamstern die anderen?
Wegen der Ausbreitung von Covid-19 änderte sich das Konsumverhalten laut dem Marktforschungsunternehmen IRI auch in Italien, Frankreich, Neuseeland, Großbritannien und den USA rasch. In den meisten Ländern kauften die Verbraucher in der Frühphase der Pandemie mehr Vitamine, Nahrungsergänzungsmittel, Probiotika und andere immunstärkende Produkte. Ihre Absatzzahlen sind Mitte März um rund 60% bis fast 100 % in den jeweiligen Ländern gestiegen. Präventive Gesundheitsprodukte, wie z.B. Vitamin C, waren stärker gefragt als symptomatische Produkte.
Der Absatz von Papierprodukten, Haushaltsreinigungsprodukten, Lebensmitteln und Getränken stieg ebenfalls an. In Frankreich und in Neuseeland hat sich der Absatz von Toilettenpapier verdoppelt, in den USA verdreifacht. In den US-Bundesstaaten mit frühen Covid-19 Auswirkungen wurden viel höhere Mengen an Tiefkühlkost und Milchprodukten verkauft. Laut IRI zeigt die E-Commerce-Entwicklung in Italien und Frankreich einen signifikanten Anstieg beim Online-Shopping, vor allem im Bereich Click & Collect.
Kaufeinschränkungen als Freiheitsverlust
Im April beobachten Marktforscher in Deutschland eine zunehmende Routine der Verbraucher bei ihren Einkäufen. Die Hochphase der Hamsterkäufe ist vorbei. Doch eine neue Panik ist nicht auszuschließen.
Was sagt Hamstern über uns?
Menschen bevorzugen immer noch das Einkaufen im Geschäft gegenüber den Onlinekäufen. Laut IFH Köln sind erst 13% der Befragten auf Onlinekäufe umgestiegen. Dabei hat in China und Australien die Coronavirus-Pandemie eine Welle an Onlinekäufen ausgelöst, betont Nielsen. Das lässt vermuten, dass auch deutsche Verbraucher in der Krisenzeit offener gegenüber Onlinebestellungen von Gütern des täglichen Bedarfs werden können.
IFH Köln zufolge empfindet fast ein Drittel der Befragten einen Verlust an Freiheit, wenn sie nicht mehr das einkaufen können, was sie wollen. Vor allem die jüngere Gruppe der KonsumentInnen bis 49 Jahren gab ein, sich damit eingeschränkt zu fühlen.