Die Ansprüche der Konsument:innen haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Der Produkt- und Dienstleistungsmarkt ist gesättigt, das Angebot übersteigt die Nachfrage. Erlebnisse rücken in den Fokus der Kaufkraft. Wie können Unternehmen ihrer Kundschaft in Zeiten günstiger Massenproduktion und automatisierter Dienstleistungen noch einen Mehrwert bieten? Das Stichwort lautet: Experience Economy.
Während der Pandemie ist vielen Menschen bewusst geworden, wie wichtig ihnen Freizeitaktivitäten sind. Das Schließen der Kinos, Bars, Clubs, Fitnessstudios und Restaurants sowie das Herunterfahren der Tourismus- und Eventbranche hat dazu geführt, dass diese Aktivitäten seit ihrer Wiedereröffnung viel mehr Wertschätzung erfahren als zuvor.
Gute Produkte allein können die Bedürfnisse nicht länger befriedigen. Daher erleben nicht-materiell orientierte Wirtschaftszweige momentan einen enormen Boom. So enorm, dass ein neues ökonomisches Paradigma proklamiert wird – die Experience Economy.
Erleben statt besitzen
Haushaltswaren, Kleidung, Schmuck – viele Waren gibt es im Überfluss. Allerdings: Wenn Waren und Dienstleistungen leicht verfügbar sind, sinken ihr Wert und ihre Attraktivität für die Verbraucher:innen. Seltene und spannende Erlebnisse hingegen üben einen größeren Reiz aus und werden zum neuen Gesellschaftskapital.
Hinzu kommt, dass die Abkehr von materiellen Werten nur scheinbar dazu führt, dass Statussymbole weniger wichtig werden und Menschen mehr Geld in ihre persönliche Entwicklung stecken. Letzteres sorgt für ein positiveres Lebensgefühl, da nun die „richtigen“ Werte priorisiert werden. Dabei wird häufig übersehen, dass ein mit Erlebnissen gespicktes Leben ebenso zur Statusdemonstration genutzt werden kann wie eine teure Uhr.
Insbesondere die Sozialen Medien und ihre Präsentation erstrebenswerter Lifestyle-Modelle sorgen dafür, dass wir unsere Erfahrungen mit denen anderer Menschen vergleichen. Investitionen in Erlebnisse werden schneller getätigt, wenn sie den sozialen Status verbessern. Nicht mehr der teure Sportwagen, sondern die Weltreise schindet Eindruck bei den Followern.
Ob diese Erlebnisse aus persönlichen Gründen gemacht werden, oder dem Social-Media-Druck unterstehen, ist oft nicht erkennbar. Dennoch ist das Bewusstsein für den Wert positiver Erfahrungen nicht nur online, sondern auch in der Gesamtgesellschaft gestiegen.
Experience Economy – Die nächste Stufe der Evolution
Um das Entstehen der Experience Economy besser nachzuvollziehen, lohnt sich ein Blick auf die wirtschaftliche Evolution. Ein ökonomisches Prinzip bleibt bis heute gleich: Wenn eine Person oder ein Unternehmen etwas von Wert anbieten kann, für das es eine Nachfrage gibt und das andere nicht anbieten können, entsteht ein Wettbewerbsvorteil. Sobald andere anfangen, dasselbe – oder etwas Besseres – anzubieten, geht dieser Wettbewerbsvorteil verloren und der Wert des zuerst angebotenen Produktes sinkt.
Ältere Volkswirtschaften waren landwirtschaftlich geprägt. Ein Wettbewerbsvorteil entstand dadurch, etwas anzubieten, das jemand anderes benötigt. Sobald Güter jedoch im großen Stil produziert wurden und das Angebot die Nachfrage überstieg, verloren diese Güter an Wert. Aus diesem Dilemma heraus entwickelte sich während der industriellen Revolution ein völlig neuer Wirtschaftszweig. Dieser fokussierte sich auf neue, einzigartige Produkte außerhalb des täglichen Bedarfs.
Mit der Globalisierung verbesserte sich die Verfügbarkeit physischer Produkte. Immer mehr Firmen konnten das gleiche Produkt zu günstigeren Preisen fertigen und viele Güter verloren an Wert. Um weiterhin etwas Wertvolles anzubieten, konzentrierten sich viele Unternehmen verstärkt darauf, passende Dienstleistungen anzubieten. In einer globalisierten Wirtschaft sichert das Anbieten einzigartiger Services die Wettbewerbsfähigkeit. In vielen westlichen Ländern trägt der Dienstleistungssektor heute mehr als jeder andere Sektor zum wirtschaftlichen Erfolg bei.
Mittlerweile sorgt der technologische Fortschritt dafür, dass auch Dienstleistungen vermehrt automatisiert und von immer mehr Unternehmen angeboten werden können. Wie lässt sich die Wertigkeit dieser Dienstleistungen aufrechterhalten? Die Antwort liegt in der Verbesserung der Customer Experience.
Wenn viele Unternehmen ähnliche Services anbieten, könnten sie sich nur noch von der Konkurrenz abgrenzen, indem sie ihre Services besonders gut ausführen – und den Kund:innen insgesamt ein besonderes Nutzungserlebnis ermöglichen. Es reicht nicht mehr aus, lediglich gute Produkte zu einem angemessenen Preis anzubieten und passende Dienstleistungen zu erbringen.
Erfahrung über Preis
Ein gutes Beispiel bieten Lieferdienste für Lebensmittel. Alle dort bestellbaren Produkte sind zu niedrigeren Preisen im Supermarkt um die Ecke erhältlich. Hinzu kommen noch Lieferkosten. Außerdem bieten konventionelle Supermärkte schon seit Jahren Lieferdienstleistungen an. Was also macht Unternehmen wie Gorillas oder Flink derzeit so erfolgreich?
Ihr Wettbewerbsvorteil liegt in der Customer Experience. Die Produkte können mit wenigen Klicks in der App bestellt und bezahlt werden. Die Lieferung erfolgt innerhalb kürzester Zeit und die App zeigt den Lieferstatus der Bestellung in Echtzeit an. Kund:innen erhalten die gleichen Produkte zu leicht erhöhten Preisen, aber das Erlebnis ist der entscheidende Erfolgsfaktor. Es bildet den Kern der Experience Economy.
Wirtschaftlicher Paradigmenwechsel
Erlebnisse bilden eine eigene ökonomische Kategorie, die sich sowohl von Dienstleistungen als auch von Waren unterscheidet. Sportveranstaltungen, Kinos und Tourismus gibt es schon lange, doch das 21. Jahrhundert hat völlig neue Erfahrungsgenres hervorgebracht, darunter die Sozialen Medien, Escape Rooms und VR-Spiele.
Das abrupte Ende all dieser Angebote während der Pandemie und die anschießenden Wiedereröffnungen haben zu einem regelrechten Run auf Erlebnisse geführt. Die Verbannung von Kommunikation und Unterhaltung in die digitale Welt hat den erlebten Wert physischer Aktivitäten stark gesteigert. Auch Unternehmen haben die Bedeutung von Erlebnissen erkannt und integrieren sie in ihre Vertriebsstrategien.
Im Vergleich zu anderen Angeboten sind Verbraucher:innen bereit, für Erlebnisse mehr zu bezahlen. Derselbe Effekt gilt auch für Kundenerlebnisse, die die heutige Experience Economy ausmachen.
Leider werden Erlebnisse in der öffentlichen Wahrnehmung oft noch als Dienstleistungen eingestuft. Dabei ist das Vornehmen eines Ölwechsels nicht mit dem Besuch eines Konzerts vergleichbar. Erfahrungen müssen als das differenzierte wirtschaftliche Angebot anerkannt werden, das sie sind. Die Integration von einzigartigen Erlebnissen ist der Schlüssel zu einer wettbewerbsfähigen Zukunft.
„Experience Economy“ ist ein Trendbegriff, der mit Hilfe der Research-Methode FirstSignals® aufgespürt wurde. In Kombination aus automatisiertem Text-Mining und der Leistung erfahrener Redakteure und Analysten erkennt FirstSignals® die ersten schwachen Signale eines gerade erst entstehenden Trends – und zwar in genau dem Moment, in dem sogenannte „Buzzwords“ den medialen Echoraum der Entscheider:innen und Verbraucher:innen erstmals betreten. So nutzen Sie zukünftige Trends, bevor es andere tun. Hier erfahren Sie mehr über die Funktionsweise und die Vorteile von FirstSignals®.